Vergleich des Verbraucherschutzes in Deutschland und Südafrika

 

Dies ist die Niederschrift eines Vortrags des deutschen Rechtanwalts Christopher Richter vor Anwälten in Südafrika..

 

Verehrte Kollegen,  liebe Rechtanwälte,

ich  möchte ich Euch einen kurzen Überblick über das deutsche Verbraucherschutzrecht geben und in wenigen Sätzen die deutsche und südafrikanische Rechtslage vergleichen. Im Hauptteil meines Vortrages werde ich drei Aspekte näher beleuchten: Die Problematik der Zusendung unbestellter Waren, die Bestellung von Waren über das Internet und der Rücktritt im Rahmen von Kaufverträgen bei nur kleinen Sachmängeln.  Aus Zeitgründen bleibt die Zusendung unbestellter Waren der Heimlektüre überlassen.

 

I. Vergleich der südafrikanischen und deutschen Rechtslage

Im deutschen Recht gibt es anders als im südafrikanischen Recht kein gesondertes „Verbraucherschutzgesetz“, das alle Fragen des Verbraucherrechts regeln würde. Rechtsnormen, die hauptsächlich oder „nebenbei“ Zielen des Verbraucherschutzes dienen, gibt es in sehr vielen Einzelgesetzen. Bei der Rechtsgestaltung orientiert sich die deutsche Gesetzgebung, noch strikter als die Vorgaben, die von der Europäischen Union durch zahlreiche Richtlinien vorgegeben werden, am Leitbild des schutzbedürftigen Verbrauchers, weil dieser den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen strukturell unterlegen sei. Es besteht Konsens darüber, dass das Treffen bewusster Verbraucherentscheidungen weitgehend davon abhängt, dass die Informationen für Verbraucher transparent sind („informierter Verbraucher“). Im südafrikanischen Recht findet sich diese Zielsetzung in Chapter 1, Part B, number 4, Absatz 3 bis 5. Gerichte werden bei unklaren Regelungen von der verbraucherfeindlichsten Auslegung ausgehen.

Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bilden die Vorschriften über Haustürgeschäfte (§§ 312, 312a), Fernabsatzverträge (§§ 312b bis 312d), Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e), den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 bis 479), Teilzeit-Wohnrechteverträge (§§ 481 bis 487) den Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491 bis 498), über Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 499 bis 504) und über Ratenlieferverträge (§ 505) den Schwerpunkt des Verbraucherschutzrechtes. Viele  Formvorschriften sind auch vom Verbraucherschutz motiviert, wiedie Notwendigkeit, einen Grundstückskaufvertrag von einem Notar beurkunden zu lassen (§ 311b Abs. 1 BGB). Daneben bestehen eindeutig dem Verbraucherrecht zuzuordnende Formvorschriften, wie die Textform für Belehrungen des Verbrauchers über das bei bestimmten Vertragsarten (Verbraucherdarlehen, Teilzeit-Wohnrechteverträge) bzw. Vertriebswegen (z. B. Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge) bestehende Widerrufsrecht.

Für südafrikanische Rechtsanwälte bieten sich daher gute Verdienstmöglichkeiten, wenn sie getrennte  Verträge für Unternehmer gestalten, welche diese dann gegenüber Verbrauchern und gegenüber Unternehmern verwenden. Sie haben die Vorgaben der Nr. 48 – 52 des Consumer Protection Laws dabei zu beachten. Auf die Problematik einzugehen, wie die deutschen Gerichte mit einem Verbraucher umgehen, der sich als Unternehmer ausgibt, würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Auch die Frage, ob das Verbraucherschutzrecht zulasten eines Rechtsanwalt wegen seiner Vorbildung teleologisch reduziert werden muss, lasse ich hier  offen. However, für Anwälte bieten sich also zahlreiche Argumentationsmöglichkeiten. In Deutschland treffen die höchsten Gerichte immer wieder unerwartete und weitreichende Entscheidungen.

 

II. Zusendung unbestellter Waren

Durch die Lieferung unbestellter Sachen oder die Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen eines Unternehmers an einen Verbraucher wird kein Anspruch begründet. Dies stellt § 241a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seit Januar 2002 klar. Im südafrikanischen Recht folgt dies aus Nr. 21 Absatz VII Comsumer Protection Law.

Wer nach deutschem Recht auf eine solche Zusendung nichts unternimmt, ist auch zu nichts verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn der Versender erklärt, der Vertrag gelte bei Nichtrücksendung oder Nichtablehnung innerhalb einer bestimmten Frist als geschlossen. Der Vertrag kommt nur zu Stande, wenn der Empfänger ausdrücklich die Annahme erklärt oder zahlt. Der Empfänger muss die Sache nicht zurücksenden, auch nicht auf Kosten des Versenders. Er muss sie nicht einmal aufbewahren. Er wird zwar nicht Eigentümer – dies ist anders im südafrikanischen Recht gem. Nr. 21 VI (A) - kann sie aber von Anfang an ohne rechtliche Konsequenzen  nutzen und verbrauchen. Selbst die vorsätzliche Beschädigung und Veräußerung nicht strafbar. Weil das Eigentum in Deutschland als  schwaches Recht beim Versender zurückbleibt, sind Schadensersatzansprüche gegen einen Drittschädiger denkbar. In Südafrika sind derartige Ansprüche innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Fristen denkbar.

Sendet der Verbraucher die unbestellte Waren zurück, kann er die Kosten nach beiden Rechtsordnungen  ersetzt verlangen, vgl. Abs. V (B).

Zu beachten ist aber: Erfolgte eine Lieferung irrtümlich und hat der Verbraucher den Irrtum erkannt oder hätte er ihn erkennen müssen (falsche Adresse), kann er sich nicht  darauf berufen, eine unbestellte Ware zu besitzen, vgl.  Abs. II (B)  CPA. War also die Lieferung erkennbar nicht für den Empfänger bestimmt oder ist der Versender für den Verbraucher erkennbar irrig von einer Bestellung des Versenders ausgegangen, kann der Versender Rückgabe und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen. Der Verbraucher ist bei der Lieferung unbestellter Waren zu nichts verpflichtet, er kann sie behalten oder entsorgen. Zahlt hingegen der Verbraucher die unbestellte Leistung, wird dies in Deutschland in der Regel als Annahme des Vertrages gewertet.

Strittig ist nach deutschem Recht, ob es einem Verbraucher verwehr ist, sich bei einer Geschäftsbeziehung im Falle der Lieferung einer höherwertigen Ware  und trotz Reklamation des Lieferanten auf den Erhalt einer unbestellten Ware berufen darf. Es wird vertreten, dass dem Verbraucher dies nach Treu und Glauben versagt ist. Im südafrikanischen Recht kann derselbe Streit wegen des unklaren Wortlautes in  Abs. I B (I) auch entstehen.

 

III. Bestellungen über das Internet

Das deutsche Fernabsatzrecht beschäftigt sich mit den besonderen Regeln für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen von Unternehmern an Verbraucher, ohne direkten Kontakt zwischen den Vertragsparteien. Seit der am 1. Januar 2002 steht dem Verbrauchern gem. § 312d BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Innerhalb einer Frist von zwei Wochen kann der Verbraucher seine Willenserklärung ohne Angabe von Gründen widerrufen und ist dann nicht mehr an den Vertrag gebunden. Diese Frist beginnt, sobald der Unternehmer seine  Informationspflichten in Textform erfüllt hat. Die Textform  ist  im Internet bereits dann gewahrt, wenn der Unternehmer die Belehrung zum Herunterladen und Ausdrucken bereitstellt. Wird Ware geliefert, beginnt die Frist frühestens, wenn der Verbraucher die Ware erhalten hat.

Im südafrikanischen Recht ist ähnliches im Electronic Communications and Transactions Act, von 2002 geregelt, die Widerrufsfrist beträgt aber nur sieben Tage und eine Widerrufsbelehrung  ist nicht vorgesehen. Unklar ist dem Wortlaut des Gesetzes in  42 II (f) i nach, was erforderlich ist, damit  eine Ware als individuell gefertigt gilt und somit das  Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.  Verbraucher und Unternehmer werden hier naturgemäß verschiedene Ansichten haben. Der Rechtsanwalt wird den für seinen Mandanten günstigsten Standpunkt vertreten. 

Einen wichtigen Streitpunkt unter deutschen Juristen hat der EUGH  am 15. April 2010 zugunsten des Verbrauchers entschieden, nämlich dass die Auferlegung der Hinsendekosten auf den Verbraucher im Falle eines Widerrufs  dem Ziel des Verbraucherschutzrechts widerspricht. Nach dem südafrikanische Consumer Protection Law, dass nunmehr neben Nr. 44 des Electronic Communications and Transactions Act  über die Rückverweisung in Absatz IV  Anwendung finden kann, dürfte nunmehr auch Nr. 17 Absatz 4 und Nr. 20 Absatz VI einer solchen Gebühr entgegenstehen.

 

IV. Rücktritt bei nur kleinen Sachmängeln

Der Rücktritt führt im deutschen Schuldrecht zu einer Rückabwicklung des Vertrages, sodass empfangene Leistungen zurückgewährt werden müssen (§ 346 Abs. 1 BGB) und  bisher noch nicht erfüllte Ansprüche erlöschen (rechtsvernichtende Einwendung). Ein Rücktritt ist nach deutschem Recht nur ausnahmsweise möglich; grundsätzlich sind Verträge wie vereinbart einzuhalten.

Systematisch unterscheidet man die Rücktrittsgründe danach, ob die Leistung noch möglich ist oder ob -  etwa weil die geschuldete Sache zerstört wurde - Unmöglichkeit vorliegt. Im ersten Fall folgt das Rücktrittsrecht aus § 323 BGB. Zuvor muss der Verbraucher grundsätzlich eine Nachfrist setzen, um dem Unternehmer  die Erfüllung noch zu ermöglichen (Vorrang der Nacherfüllung). Das südafrikanische Recht regelt in Nr. 56 Abs. II (b) CPA, dass der Verbraucher innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf bei Vorliegen eines Sachmangels ohne weiteres unter voller Kaufpreisrückerstattung zurücktreten kann, nach diesem Zeitraum nur nach Maßgabe von Nr. 54 Abs. II CPA.

Verweigert der Unternehmer die Nacherfüllung ist in einer Reihe von Fällen  das Rücktrittsrecht des Käufers in Deutschland dennoch ausgeschlossen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Sachmangel unerheblich ist.

Im südafrikanischen Recht ist die Erheblichkeit des Mangels keine Voraussetzung für einen Rücktritt. Um den Unternehmer aber nicht über Gebühr wirtschaftlich zu belasten, ist über eine teleologische Reduktion des Gesetzes nachzudenken.  Dies erscheint vor dem Hintergrund gut vertretbar, weil der mangelhaft leistende Unternehmer in den ersten sechs Monaten nach der Übergabe nicht durch das Recht zur Nachbesserung geschützt ist.
Ob eine Pflichtverletzung erheblich ist, richtet sich nach deutschem Recht nach einer umfassenden Interessensabwägung. Hiernach ist einerseits der Aufwand zu berücksichtigen, der für eine Mängelbeseitigung erforderlich wäre. Die Grenze der Erheblichkeit wird von der herrschenden Meinung überwiegend zwischen 10% und 20% des Kaufpreises gezogen. Es ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, bis zu welcher Grenze eine unerhebliche Pflichtverletzung bei einem PKW-Kauf vorliegt. Dies hat Bedeutung vor allem für die Frage, ob der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären kann. Die Gerichte sind sich auch nicht einig, ob man zur Beantwortung der Frage schematisch nur auf das  Verhältnis zwischen Mängelbeseitigungskosten und Kaufpreis abstellen soll. Es ist daher in einem zweiten Schritt zu berücksichtigen, welche Auswirkungen die Pflichtverletzung auf die hiervon beeinträchtigte Leistung hat und wie groß die Zahl der Mängel ist. Es kommt damit insgesamt auf die Umstände des Einzelfalls. Ein unerheblicher Sachmangel dürfte insbesondere dann vorliegen, wenn er innerhalb kürzerer Zeit von selbst verschwindet oder leicht behoben werden kann (z. B. vorübergehende Feuchtigkeit im gekauften Haus oder defekte Glühbirne im gekauften Auto).

Längst sind nicht alle Streitfragen geklärt. Der BGH hat schon die eine oder andere überraschende Entscheidung gefällt. Im Februar 2010 entschied er etwa, dass die Lieferung eines Kraftfahrzeugs in einer anderen als der bestellten Farbe im Regelfall einen erheblichen Sachmangel und damit auch eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt, und zwar auch dann, wenn vom Käufer zunächst auch eine andere Fahrzeugfarbe in Betracht gezogen wurde. Im Mai 2007 stellte der BGH klar, dass ein Fahrzeug mit Mehrverbrauch zwar mangelhaft im Sinne des § 434 BGB sei. Ein Rücktritt sei aber ausgeschlossen, wenn dieser unter 10 % liege.

Der Bundesgerichtshof hat im Juni  2011 seine Rechtsprechung bekräftigt, dass Sachmängel, deren Beseitigung Aufwendungen von lediglich knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, als unerheblich einzustufen sind und daher einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht rechtfertigen. Dies gilt auch für ein Fahrzeug der "Luxusklasse". Auf die weiteren Umstände des Falles kam es dann nicht mehr entscheidend an, weil der  Mangel weder unbehebbar, noch nur mit hohen Kosten zu beseitigen oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt war. Unerheblich sei ferner, dass der Kaufgegenstand vor der Erklärung des Rücktritts bereits mehrfach nachgebessert wurde. Die Erheblichkeit eines bestehenden Mangels habe nichts damit zu tun, in welchem Umfang der Verkäufer zuvor andere Mängel beseitigt hat.

 

V.

Jeder Fall ist individuell und hängt von dem zu beurteilenden Sachverhalt ab. Um den "richtigen" Sachverhalt zu ermitteln, bedarf es eines genauen und gründlichen Aktenstudiums und des Zusammentragens aller relevanten Informationen. Dieser Vortrag soll weder umfassend das gesamte Verbraucherschutzrecht beleuchten, noch kann er abschließend und endgültig Antwort auf die dargestellten Streitpunkte geben.  Mein Ziel ist es die Anwesenden zum Nachdenken anzuregen und sie zu ermutigen das Gesetz kreativ zum Nutzen ihrer Mandanten anzuwenden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.